Kontrollierte Prozesse sind entscheidend für sichere Produktion und Verarbeitung von Grillen

Lebensmitteltechnologe Dr. Oliver Schlüter zu Hausgrillen als Lebensmittel

27.01.2023
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© N. Schwab, ATB

Am Dienstag, den 24. Januar 2023 hat die Europäische Kommission Hausgrillen als Bestandteil verarbeiteter Lebensmittel zugelassen. Der Verzehr der Hausgrillen als neuartige Lebensmittel wurde als gesundheitlich unbedenklich eingestuft. Trotzdem reagieren Verbraucher*innen zum Teil verunsichert auf diese Neuerung. Lebensmitteltechnologe Dr. Oliver Schlüter forscht im Verbundprojekt food4future an der Entwicklung eines nachhaltigen Indoor-Produktionssystems für die Insekten. Dabei werden neben dem Potenzial der Grillen als Nahrungsquelle auch mögliche Risiken untersucht.


In food4future arbeiten Forschende seit 2019 an Innovationen für eine nachhaltige und gesunde Lebensmittelversorgung. Neben Makroalgen, salztoleranten Pflanzen und Quallen stehen Grillen als alternative Nahrungsquellen im Fokus. Unter der Leitung von Dr. Oliver Schlüter, Lebensmitteltechnologe vom Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB), werden nachhaltige Insektenaufzuchtprozesse für eine urbane Indoor-Kultivierung entwickelt. Die Wissenschaftler*innen um Schlüter haben untersucht, welche Maßnahmen die Belastung von Grillen mit Mikroorganismen minimieren können und daraus Empfehlungen für ihre Produktion abgeleitet.

Zur Risikominimierung können beispielsweise Nachernte-Behandlungen mit thermischen Verfahren beitragen, welche auch die Zeit für die Erreichung der empfohlenen Restfeuchte bei der Herstellung von Grillenmehl reduzieren. Schlüter erläutert: „Bei der mikrobiologischen Sicherheit spielen viele Faktoren eine Rolle: daher müssen beispielsweise die Keimzahlen bereits bei der Insektenproduktion ebenso kontrolliert werden wie bei den Aufbereitungsschritten und den nachfolgenden Prozessierungspfaden, einschließlich der jeweiligen Lagerungs- und Verpackungsregime bis hin zum Endprodukt. Hier besteht prinzipiell kein Unterschied zu vergleichbaren herkömmlichen Lebensmittelverarbeitungsketten. Eine sichere Produktion und Verarbeitung beherrscht mögliche Risiken und ist die Grundvoraussetzung, um auch die Vorteile von Grillen als eine alternative Ressource für nachhaltige und gesundes Lebensmittel bei der Humanernährung zu nutzen.“

Nachhaltige und gesunde Ernährung mit Hausgrillen möglich

Das Potenzial der auch Heimchen genannten Insekten als zukunftsfähiges Nahrungsmittel ist enorm. Aktuell werden Grillen vor allem in Asien in Grillenfarmen gezüchtet. Neben ihrem hohen Gehalt an Nährstoffen wie Eiweißen und Fetten liefern Grillen auch Vitamine und Mineralstoffe für die menschliche Ernährung. Sie können darüber hinaus einen Beitrag zu nachhaltigem Konsum leisten, da sie im Vergleich zu konventionellen Protein-Lieferanten wie Rinder- oder Schweinefleisch weniger Ressourcen wie Futtermittel, Wasser oder Fläche für ihre Aufzucht benötigen und – in Abhängigkeit vom jeweiligen Produktionssystem – in der Regel eine geringere Treibhausgasbilanz aufweisen.

Hausgrillen bereits seit 2022 in der EU zugelassen

Bereits im vergangenen Frühjahr hat die Europäische Kommission nach einer ausführlichen wissenschaftlichen Evaluierung durch die Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Vermarktung von Hausgrillen (Acheta domesticus) getrocknet, gefroren oder in Pulverform als neuartiges Lebensmittel (Novel Food) zugelassen. Neu ist, dass sie nun auch in verarbeiteten Lebensmitteln eingesetzt werden dürfen.

Die Zulassung hat jedoch teilweise zur Verunsicherung bei Verbraucher*innen geführt. Nicht zuletzt die Befürchtung, ungewollt Grillen in verarbeiteten Lebensmittel zu verzehren, ist dabei Gegenstand der Diskussionen. Die Kennzeichnungsbestimmungen des europäischen Lebensmittelrechts sehen jedoch vor, dass Lebensmittel eindeutig mit „Acheta domesticus (Hausgrille)“ in der Zutatenliste gekennzeichnet sein müssen. Auch der Hinweis zum allergenen Potenzial der Grillen ist verpflichtend. Neben der rechtlich eindeutigen Situation machen die hohen Preise von Grillenerzeugnissen die vielerorts geäußerte Befürchtung, dass diese Lebensmittel nicht-deklariert untergemischt werden, sehr unwahrscheinlich. In Hinblick auf die mikrobielle Belastung von Grillen gelten – wie bei allen anderen Lebensmitteln – Höchstwerte, die nicht überschritten werden dürfen.

 

Quellen:

  • Europäische Kommission (2023): Durchführungsverordnung (EU) 2023/5 zur Genehmigung des Inverkehrbringens von teilweise entfettetem Pulver aus Acheta domesticus (Hausgrille) als neuartiges Lebensmittel und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 (Link)
  • Europäische Kommission (2023): Approval of fourth insect as a Novel Food - Questions and answers. A selection of questions and answers compiled through the approval process. (Link)
  • Fröhling, A., Bußler, S., Durek, J., Schlüter, O.K. (2020). Thermal Impact on the Culturable Microbial Diversity Along the Processing Chain of Flour From Crickets (Acheta domesticus). Frontiers in Microbioly, doi:10.3389/fmicb.2020.00884.
  • Europäische Kommission (2005). EC No 2073/2005 of 15 November 2005 on microbiological criteria for foodstuffs. (Link)
  • Rumpolt B.A., Schlüter O.K. (2013). Nutritional composition and safety aspects of edible insects. Molecular Nutrition & Food Research,  

    doi:10.1002/mnfr.201200735 

Mehr Informationen

Interview mit Oliver Schlüter (ATB) im Podcast „Was die Woche wichtig war“ vom 27.01.2023 (ab Minute 16:15).

Lunch Break Series "Future Foods"
Ekelig oder innovativ? Gründe für Insekten als Nahrungsmittel
Dr.-Ing. Oliver Schlüter
Alle Videos der Reihe sind hier verfügbar.

Ask a Scientist des PTDW 2021
Insekten & Algen als Nahrung für Mensch und Tier
Dr.-Ing. Oliver Schlüter beim digitalen Potsdamer Tag der Wissenschaften