Wie gehen Sie im Forschungsprojekt bei der Kultivierung mariner Makroalgen vor?
Wir beginnen mit der Artenauswahl, was nicht trivial ist. Nicht jede Makroalgenart ist für jede Umgebung geeignet. Darüber hinaus müssen wir berücksichtigen, dass die Ressourcen frei zugänglich sind – wir wollen ja langfristig, dass aus den Makroalgen auch Nahrungsmittel produziert werden. Material aus Kultursammlungen wird nur lizenziert, anderes vor allem im Ausland produziert. Und da stoßen wir an Probleme mit der Biodiversitätsrichtlinie, dem Nagoya Protokoll3, das verhindern soll, dass die Biodiversität anderer Länder ausgebeutet wird. Also konzentrieren wir uns hauptsächlich auf heimische Arten wie beispielsweise den Meersalat Ulva lactuca, den man in der Nordsee findet.
Nach der Auswahl muss das Feldmaterial im Labor in Kultur bringen und von der darauf befindlichen Flora und Fauna reinigen. Man bringt die Alge zum sporulieren, so dass man ausgehend von einer einzigen Zelle eine unialgale Kultur anziehen kann. Wenn man Pech hat, keimt die Alge, kann aber unter den Laborbedingungen nicht weiter wachsen.
Da Algen in der Natur zusammen mit anderen Organismen und Mikroorganismen wachsen und einige Bakterien sogar notwendig für die Morphogenese, also Form der Algen verantwortlich sind, kann man Algenkulturen nicht einfach sterilisieren.
Im Projekt haben wir jetzt verschiedene Algenarten in unialgaler Kultur und soweit sauber, dass wir weiter arbeiten können. Jetzt testen wir, ob sie sich für die Kultivierung in geschlossenen Systemen und in Co-Kultur eignen – neben bereits bekannten Arten haben wir auch Risiko-Arten gewählt, die bisher in künstlichen Systemen noch nicht untersucht wurden. Wir schauen nun, welche Inhaltstoffe vorhanden sind, und wie sich die Nährstoffzusammensetzung unter unterschiedlichen Bedingungen – beispielsweise durch Bestrahlung um UV-Licht – verändert bzw. wie wir die Zusammensetzung damit für die menschliche Ernährung optimieren können. Das analysieren wir unter anderem mit Hilfe von einer modernen analytischen Plattform. In den Laborversuchen untersuchen wir, welche Auslöser für eine Anreicherung bestimmter Inhaltsstoffe führen. Dabei konzentrieren wir uns unter anderem auf Pigmente, Proteine, Fettsäuren und weitere Metaboliten. Bisher hat man vielfach Algen-Freilandmaterial auf dessen chemische Zusammensetzung untersucht. Man kann unter Laborbedingungen bestimmte Inhaltstoffe nicht immer rekonstruieren, da nicht alle relevanten Umwelteinflüsse, die die Algen im Laufe ihres Lebenszyklus bis zur Probennahme erfahren, erfassbar sind. Daher untersuchen wir das jetzt systematisch unter Laborbedingungen.
Und dann stehen wir vor der Herausforderung, die ausgewählten Makroalgen mit den anderen food4future Organismen – Halophyten (IGZ), Medusen (ZMT) und Grillen (ATB) – in Co-Kultur zu bringen. Da ist es wichtig, einen Kompromiss für die Wachstumsparameter zu finden. Welche Salzkonzentrationen sind tolerierbar, welche Lichtverhältnisse? Co-Kulturen sind in Hinblick auf ihre Stabilität gegenüber Monokulturen im Vorteil und zukunftsweisend. In natürlichen Ökosystemen gibt es eine feine Balance zwischen den Arten. Die Schwierigkeit für künstliche Systeme ist es, die richtigen Partner für bestimmten Konditionen zu wählen, so dass sie nicht um die Ressourcen konkurrieren, sondern voneinander profitieren. Wir beginnen am IGZ schon mit den Algen und Halophyten und auch da muss sehr viel getestet werden. Letztendlich wollen wir ein nachhaltiges System etablieren, das energetisch sinnvoll ist und welches die Ressourcen Wasser und Nährstoffe möglichst optimal nutzt.